Oder: Warum Berührungen so wichtig sind...
Wusstet ihr, dass Massage eine der ältesten Heilkünste ist?
Schon lange vor unserer Zeitrechnung wurden Pharaon*innen, Kaiser*innen, griechische Athlet*innen und römische Gladiator*innen mit heilsamen Berührungen behandelt. Oft waren sogar rituelle Handlungen mit bestimmten Massagetechniken verbunden.
Überall auf der Welt und kulturübergreifend finden sich Überlieferungen zu kurativen Berührungen. Sogar Hippokrates von Kos (um 460-370 v.Chr.), der als Begründer der wissenschaftlichen Medizin gilt, war der Ansicht, dass „ein Arzt viele Dinge beherrschen müsse, aber in jedem Falle das ‚Reiben‘“.

Heute wissen wir, dass Berührungen, Massagen und Umarmungen mit einer ganzen Reihe von positiven Effekten in Zusammenhang stehen. Je mehr zu diesem Thema geforscht wird, desto klarer wird: Körperkontakt ist existenziell und fundamental.
Berührungen beeinflussen die kindliche Entwicklung, das allgemeine Sozialverhalten und unsere Gesundheit, und sogar im Team-Sport gibt es Verbesserungen der Leistung, wenn die Mannschaftsmitglieder sich gegenseitig anfassen.
Hierzulande gab es vorübergehend einen Einbruch in der Entwicklung von Massagetechniken, da diese im Mittelalter zunehmend als etwas Teuflisches betrachtet wurden. Erst im 16. Jh. gewann die Massage durch den Arzt Paracelsus wieder an Bedeutung. Insbesondere die Erfolge des französischen Chirurgen Ambroise Paré (1510-1590) etablierten die Massage als echte Heilkunst. Ihm gelang es mit verschiedenen Massagetechniken, die Wundheilung nach Operationen zu verbessern. Wegen seiner ausgezeichneten Ergebnisse machten ihn vier Könige zu ihrem Hofarzt.
Die vielen von uns bekannte klassische (schwedische) Massage geht auf den Arzt und Gymnastiklehrer Henrik Ling (1776–1839) zurück. Die Grundtechniken werden noch heute angewendet.
Und warum tut Berührung nun eigentlich so gut?
Unsere Haut ist das größte Organ unseres Körpers und enthält Millionen von Berührungsrezeptoren. Mit diesen Rezeptoren fühlen wir Wärme, Kälte, Druck, Texturen, aber auch die Richtung und Geschwindigkeit von Berührungen.
Darüber hinaus sind wir über spezielle Nervenverbindungen in der Haut, den CT-Nervenbahnen, in der Lage, die Qualität der Berührung emotional auszuwerten – ob also ein Kontakt z.B. angenehm oder unangenehm, entspannend oder anregend ist usw.
Im Gehirn führt die Aktivierung dieser Nervenbahnen zu einer verstärkten Ausschüttung des „Glückshormons“ Oxytocin. Zudem verändert ihre Aktivierung die Empfindlichkeit für Endorphine, eine Gruppe von körpereigenen Opioiden. Aufgrund dieses Vorgangs kommt es zu einer Verlangsamung des Herzschlags und der Atmung und dem Abbau von Stresshormonen. Unser Körper entspannt sich und wir fühlen uns wohl.
Ein Review von Tiffany Field in Zusammenarbeit mit dem Touch Research Institute, der University of Miami/Miller School of Medicine, USA und der Fielding Graduate University, USA von 2016 kommt zu dem Ergebnis, „dass die Massagetherapie positive Auswirkungen auf viele verschiedene Erkrankungen und Zustände hat…“, darunter in der Pädiatrie, Neonatologie (Erkrankungen von Neugeborenen und Frühgeborenen), Schmerzmedizin, Onkologie und Geriatrie.
Bruno Müller-Oerlinghausen et al. weisen in ihrem Artikel von 2021 (Berührungsmedizin – ein komplementärer therapeutischer Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der Depressionsbehandlung) deutlich darauf hin, dass „kontrollierte Studien und systematische Übersichten (...) die antidepressive, anxiolytische (angstlösend) sowie analgetische (schmerzlindernde) Wirksamkeit spezieller Massagetechniken belegen“. Sie gehen sogar soweit, dass sie eine neue Fachdisziplin vorschlagen, die „Berührungsmedizin“.
Wenn wir berücksichtigen, dass unsere Haut und unser Nervensystem aus demselben Ektoderm (oberes oder erstes Keimblatt des Embryoblasten) entstanden sind, wird die enge Beziehung von Tastsinn und Psyche deutlich. Diese für uns lebenswichtigen und gleichzeitig selbstverständlichen Empfindungen stellte die Wissenschaft bislang vor ein Rätsel, das nun von David Julius und Ardem Patapoutian, denen im Jahr 2021 der Nobelpreis für Medizin und Anatomie für die Entdeckung von Rezeptoren für Temperatur und Berührung im Körper verliehen wurde, gelöst wurde. Und in diesem Zusammenhang macht die inzwischen gut belegte Wirksamkeit einer professionellen Massage- und Berührungstherapie bei den verschiedensten physiologischen und psychologischen Indikationen Mut.

Das alles beutet natürlich nicht, dass man mit „Handauflegen“ heilen könnte, aber Berührungen stärken nachweislich das Immunsystem, können Schmerzen lindern, Ängste abbauen, Depressionen entgegenwirken und den Blutdruck und Herzschlag senken.
Das ist doch auf jeden Fall schon mal ein extrem guter Effekt, der zudem auch noch keine Nebenwirkungen hat.
Und nicht nur Massagen und Umarmungen haben einen positiven Einfluss auf uns Menschen. Auch kleine und kurze Berührungen beeinflussen unser Denken und Handeln bereits positiv. In Gruppen, in denen Berührungen untereinander normal und häufig sind, zeigen sich weniger Aggressionen, Ängste und Spannungen. Zudem stärkt es das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Vertrauen zueinander.
Übrigens führt auch das Streicheln von Tieren dazu, dass Endorphine ausgeschüttet und Stress abgebaut werden… also, nicht verzweifeln, wenn ihr gerade keinen Massagetermin habt oder keinen Menschen zum Kuscheln… ;-))
Zusammenfassung:
Massage als Heilkunst ist schon sehr alt. Studien belegen ihre Wirksamkeit in vielen Bereichen der Therapie und Prävention. Ihre positive Wirkung findet sich sowohl in physiologischen also auch in psychologischen Bereichen. Sie wirkt sich günstig auf das Immunsystem aus, kann Schmerzen lindern, Ängste abbauen, Depressionen entgegenwirken und den Blutdruck und Herzschlag senken. Auch kurze Berührungen haben eine positiven Einfluss auf uns.
Ich bin gespannt, was ihr hieraus mitnehmt… vielleicht lasst ihr euch inspirieren und beobachtet, wie es sich in eurem Leben mit dem Thema „Berührung und Massage“ so anfühlt.
